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In aktiver Kooperation

Andrea Zlatar inmitten von Kultur und Politik

redaktionsbüro: Dea Vidović
Andrea Zlatar:
- Die freie Kunstszene in Zagreb stößt seit zehn Jahren nicht nur lokal, sondern auch international auf großes Interesse und Anerkennung. Glauben Sie, dass die unabhängigen Kulturinitiativen das entscheidende Potenzial bringen, das die Stadt braucht, um weiterzukommen?
- Wir haben in Zagreb wirklich eine ganz besondere Szene von Künstlern und kulturellen Initiativen. Ursprünglich ist sie aus einzelnen Projekten heraus entstanden und weil eine Lösung für das Raumproblem bzw. die Nutzung von Brachflächen gefunden werden musste. Aber mit der Zeit hat sich eine zweite wichtige Aufgabe und Eigenschaft herausgebildet: das Networking, die Zusammenarbeit. Als Netzwerk sind diese Gruppen dann auch auf kulturpolitischer Ebene in der Stadt erkennbar geworden und haben ihr Erscheinungsbild durchaus verändert.
- Wie hat sich die Beziehung zwischen den politischen Strukturen in der Stadt und der freien Kunstszene verändert?
- In den letzten fünf Jahren hat sich sowohl auf der Ebene der Kulturpolitik als auch auf der Ebene der Stadtverwaltung, die langfristig strukturiert wird und nichts mit flüchtigen Wahlergebnissen zu tun hat, viel getan. Nach dem Regierungswechsel 2000 sind Richtlinien für die nationale Kulturpolitik ausgearbeitet worden und dabei hat man auch der freien Kunstszene ein eigenes Feld eingeräumt. Es gab Versuche, die Finanzierung der Kulturpolitik zu ändern, weil mit den bestehenden Strukturen eine finanzielle Förderung von unabhängigen Initiativen gar nicht möglich war. Leider ist dieses Problem bis heute nicht gelöst und es wird auch nicht zu lösen sein, solange die staatlich geförderten Institutionen und unabhängige Kulturinitiativen sich um Fördergelder aus ein und demselben Topf bewerben.
- Die freie Kunstszene sucht inzwischen das Gespräch mit den staatlichen und städtischen Behörden – etwa über die Verteilung von Ateliers oder die Finanzierungsmöglichkeiten der laufenden Geschäftskosten – um auf diese Weise bessere Bedingungen für ihre Arbeit durchzusetzen. Spricht das für ihr Erwachsenwerden?
- Für mich war es ein entscheidender Wendepunkt, als die freien Kulturinitiativen begriffen, dass sie sich als Partner zu positionieren haben. Dass sie, wenn sie schon nicht an den Entscheidungsprozessen beteiligt sind, doch zumindest ihren Standpunkt vertreten müssen und dafür sorgen, dass ihre Situation und die Probleme, mit denen sie zu kämpfen haben, an die Öffentlichkeit gelangen.
- Wie stehen denn die Kulturpolitiker in Zagreb zu dem Projekt Zagreb – Cultural Kapital of Europe 3000 (ZCK3000)?
- Da kann ich nur für mich und die Leute sprechen, die in den letzten Jahren mit dem Kulturdezernat der Stadt zu tun hatten. Denn das Projekt entwirft eine Vision, die, das muss man wirklich sagen, viel zu kompliziert ist, um sie dem Durchschnittspolitiker in der Stadtverwaltung oder im Stadtrat zu erklären. Andererseits bezieht das Projekt gerade aus diesem Zukunftsbezug seine Stärke, also aus der Tatsache, dass es die Dinge eben gerade nicht in den bestehenden Rahmen einordnet, sondern ganz andere Modelle entwirft. Um anderen diese Modelle zu vermitteln, muss man Lobbyarbeit leisten und das Thema ständig ins Gespräch bringen.
- Gibt es Anzeichen dafür, dass ZCK3000 die Kulturpolitik in Zagreb verändert hat?
- Es ist zu echter Zusammenarbeit gekommen. Das Strategieplanungsseminar für Kulturinstitutionen, das das Kulturdezernat in Zagreb über zwei Jahre veranstaltet hat, wurde in Kooperation – und ich muss betonen, in aktiver Kooperation – mit genau den Leuten durchgeführt, die bei ZCK3000 mitarbeiten. Das heißt also, dass Leute aus allen möglichen Kulturinstitutionen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung zu Vorträgen gehen, die von Mitgliedern aus der freien Kunstszene oder aus dem ZCK3000-Projekt gehalten werden. Das wäre doch vor vier Jahren noch völlig undenkbar gewesen!
- Und können die Kommunalbehörden von ZCK3000 etwas lernen?
- Auf jeden Fall – wenn sie bloß ihre Angst vor Veränderungen und allem, was neu ist, ablegen könnten. Denn dass es bei ZCK3000 etwas zu lernen gibt, das halte ich für ganz unbestritten – man muss nur an die Modelle fürs Networking denken. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen: Die Kulturzentren haben nach langer Zeit nun endlich angefangen, ihre Programme miteinander auszutauschen und abzustimmen. Auch daran war vor drei Jahren nicht zu denken! Die Stadtverwaltung muss ein höheres Maß an Flexibilität entwickeln, damit sie wahrnimmt, was um sie herum vorgeht, und darauf auch reagiert.
- Vor den Lokalwahlen im Mai und im Juni hat ZCK3000 drei Panels mit Vertretern der freien Szene und Politikern organisiert. Wie beurteilen Sie diese Aktion?
- Die Szene hat damit ihre Reife bewiesen; schon deswegen, weil sie die Verantwortlichen aus den höchsten Gremien der kommunalen Selbstverwaltung und die Gegenkandidaten für diese Posten öffentlich zusammenbrachte – oder sie sogar dazu zwang, zusammenzukommen und miteinander zu diskutieren. Es kommt dabei überhaupt nicht darauf an, wie sie das gemacht haben, ob es demagogisch oder zu politisch war. Wichtig ist, dass diese Leute gekommen sind und Versprechen abgegeben haben. Natürlich sind das keine rechtsverbindlichen Zusagen, aber immerhin sind es bestimmte Festlegungen oder politische Bekenntnisse. Und es gibt auch einen Hinweis darauf, dass die Politiker nicht einfach nur so dahergesprochen haben, denn Milan Bandić, unser Bürgermeister, hat immerhin in seiner Antrittsrede erwähnt, dass die Vertreter der freien Szene auf jeden Fall leer stehende Fabrikgebäude für Ateliers zur Verfügung gestellt bekommen müssen.
- Waren diese positiven Reaktionen dem herrschenden Wahlkampf geschuldet oder ein wirklicher Beweis dafür, dass die Politiker ZCK3000 als gleichwertigen Gesprächspartner akzeptieren?
- Für die diensthöheren Politiker war das bestimmt Teil der Wahlkampfstrategie. Deswegen ist es ja auch so wichtig, diese Art von Kulturnetzwerk in der Öffentlichkeit weiterzuentwickeln. Außerdem ist es wichtig, direkt in der Stadtverordnetenversammlung eine Lobby zu haben und alle vorhandenen Instrumente dafür zu nutzen – Diskussionsveranstaltungen in der Öffentlichkeit und im kleinen Kreis, mit dem Kulturdezernat, mit den Stadtverordneten usw. – denn meistens ist es doch so, dass Politiker etwas nur deswegen ablehnen, weil sie nichts darüber wissen.
Dea Vidović ist Koordinatorin von „Clubture“, einem Netzwerk unabhängiger kroatischer Kulturinitiativen, Redakteurin der Website www.kulturpunkt.hr und Fernsehjournalistin. Sie lebt in Zagreb.

Artikel erschienen in:
- read relations 3, der Zeitung zum Projekt „relations";

- REPORT. Magazin für Kunst und Zivilgesellschaft in
Zentral- und Osteuropa, September 2005
Link: REPORT online - Link: Projekt relations - Link: Kulturpunkt.hr - Link:Zagreb - Cultural Kapital of Europe 3000" ("ZCK 3000") -